Der Betriebsstandort Espenhain


    Über mehr als fünfzig Jahre ist im Gebiet südlich von Leipzig Braunkohle gefördert und verarbeitet worden. Hier wie in anderen Teilen Mitteldeutschlands gab es Vorkommen, die sich wegen ihres relativ hohen Teergehaltes besonders für thermische und chemische Verarbeitung eigneten.

    Um bei der Kraftstofferzeugung von ausländischem Erdöl unabhängig zu sein, wurde in Deutschland die Treibstoffherstellung auf Braukohlenbasis entwickelt.
Im Zusammenhang mit diesen Autarkiebestrebungen entstanden zwischen 1935 und 1942 die Braunkohlenverarbeitungswerke in Böhlen und Espenhain.

    Die brikettierte Kohle wurde nach dem LURGI-Spülgasverfahren verschwelt und in den nachgeschalteten Anlagen einschließlich Industriekraftwerk vollständig verarbeitet.
Durch die Kombination von Kraftwerk, Brikettfabrik, Schwelerei und weiteren Anlagen zur Aufarbeitung der Schwelprodukte sowie der damit verbundenen Kraft-Wärme-Kopplung arbeitete der Industriekomplex Espenhain mit einer zu dieser Zeit in Europa einmaligen Spitzentechnologie (Produktionsschema). Neben Elektro- und Wärmeenergie erzeugte man Briketts, Schwelteer, BTT-Koks, Leichtöl, Phenol, Pyridin und Schwefel.
Hauptziel der Produktion jedoch war die Treibstoffversorgung der deutschen Marine und Luftstreitkräfte. Das Werk ist durch den Abwurf von mehr als 3000 Bomben in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges bis zum Produktionsstillstand zerstört worden.

    Nach dem Wiederaufbau der Anlagen wurde die Produktion als Staatliche Aktiengesellschaft (SAG) Brikett Kombinat Espenhain unter sowjetischer Direktion wieder aufgenommen. 1954 erfolgte die Übergabe in deutsche Hand, der VEB Kombinat Espenhain entstand.

    Das Produktionsprofil wurde auf die Herstellung von Schwelteer eingestellt. In den 60er Jahren sind die Anlagen im Zusammenhang mit der Wirtschaftsorientierung auf die Petrolchemie massiv auf Verschleiß gefahren worden.
Als Anfang der 70er Jahre die Carbochemie wieder an Bedeutung gewann, wurde die Produktion in den verschlissenen Anlagen maximiert. Dadurch und durch nicht ausreichende Investitionen im Bereich des Umweltschutzes stiegen die Schadstoffemissionen sehr stark an.
Die extreme Luft- und Wasserverschmutzung durch den Betrieb führte bereits in den 80er Jahren zu Protesten und zu Forderungen der Stillegung der Carbochemie. Zum Beispiel startete das Christliche Umweltseminar Rötha die Aktion "Eine Mark für Espenhain"; jeder wurde aufgefordert zu spenden, um Espenhain wenigstens symbolisch zu sanieren.

    Am 8. Februar 1990 fasste der Ministerrat der DDR einen Beschluß zur Stillsetzung der gesamten carbochemischen Anlagen bis 1991. Jedoch wurde der letzte Schwelofen in Espenhain bereits am 27. August 1990 abgefahren.
Von den ehemals rund 6.000 Beschäftigten arbeiteten noch ca. 2.000 in der zur Kohletrocknungsanlage umfunktionierten Brikettfabrik I und den beiden Kraftwerken.
Als Auffanggesellschaft gegen Arbeitslosigkeit entstand die Mitteldeutsche Braunkohle Strukturförderungsgesellschaft (MBS), die mit Hilfe von ABM-Großprojekten die Sanierung der Produktionsflächen begann. Am 30.6.1996 ist das Kraftwerk II als letzte Espenhainer Produktionsanlage außer Betrieb gegangen.
Die Schaltwarte des Kraftwerkes war bis November 2006 noch als Knotenpunkt im mitteldeutschen 110-kV-Netz aktiv.
   Das Braunkohlenveredlungswerk Espenhain hat insgesamt produziert:
217,5 Mio. t Brikett; 96,7 Mio. t Koks, 16,8 Mio. t Teer, 3,8 Mio. t Leichtöl und 1,04 Mio. t Schwefel